Auf Orchideensuche in Lukanien (Süditalien)
Vortrag „Auf Orchideensuche in Lukanien (Süditalien)“ von Dr. Rudolf Kötter, Erlangen, am 04.11.2025 im Tambosi
Der Vortrag beschrieb in lebendiger, teilweise dialogischer Sprache botanische Exkursionen nach Lukanien, einer Region im Süden Italiens zwischen Tyrrhenischem und Ionischem Meer. Der Referent führte die Zuhörenden zunächst in die Landschaft und Geschichte der Region ein: vom Gebirge des lukanischen Apennin über den Cilento bis zum mächtigen Pollino-Massiv. Er erläuterte geologische Besonderheiten wie die „Calanchi lucani“ – Erosionslandschaften aus Ton und Sand – und die „Terra delle Gravine“ mit tief eingeschnittenen Kalkschluchten, die durch ihre Unzugänglichkeit zu botanischen Refugien geworden sind.
Im Mittelpunkt des Vortrags stand jedoch die außergewöhnliche Orchideenflora dieser Gebiete. Lukanien gilt mit rund 3.000 Pflanzenarten, davon etwa 200 endemisch, als ein „botanischer Hotspot Europas“. Über drei Jahrzehnte hinweg hatten der Vortragende, seine Frau, ein Weggefährte und später seine Tochter dort zahllose Exkursionen unternommen. Der Vortrag folgte einer systematischen Vorstellung der Orchideen-Gattungen, angereichert mit Eindrücken von Landschaft, Klima und Fundorten.
Er begann mit den Waldvöglein (Cephalanthera) und Ständelwurzen (Epipactis), die in den Buchenwäldern der Gebirge vorkommen, und ging dann zu den Knabenkräutern (Orchis, Anacamptis, Dactylorhiza, Neotinea) über. Hier wurden zahlreiche Arten vorgestellt – vom Kleinen Knabenkraut über das Wanzenknabenkraut bis zum Holunder-Knabenkraut –, jeweils mit Beobachtungen zu Standort, Blütezeit, Farbvarianten und Hybridbildungen. Immer wieder betonte der Vortragende die Vielfalt und Anpassungsfähigkeit dieser Pflanzen an die unterschiedlichen Höhenlagen und Mikroklimate.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf den Serapias-Arten, charakteristisch für Süditalien, mit ihren zungenförmigen Blüten. Besonders im Cilento und in Feuchtwiesen des Lambro-Tals fanden sich reiche Bestände von Serapias lingua, cordigera und deren seltenen Hybriden. Auch botanische Besonderheiten wie Serapias politisii, sonst nur aus Griechenland bekannt, wurden erwähnt.
Im zweiten Teil widmete sich der Vortrag ausführlich der größten und artenreichsten Gattung, den Ragwurzen (Ophrys). Dr. Kötter erläuterte morphologische Merkmale zur Bestimmung – Aufbau von Lippe, Sepalen, Petalen, Anhängsel, Konnektivfortsatz – und führte dann eine beeindruckende Reihe von Arten auf: von der Fliegen- und Bienen-Ragwurz über die Ophrys fusca-Formen (braune Ragwurz) bis hin zu endemischen Arten wie Ophrys lucana, cilentana, pollinensis, apulica oder lacaitae. Dabei beschrieb er, wie naheverwandte Arten ineinander übergehen und wie häufig Hybride und Übergangsformen auftreten – ein Hinweis auf die dynamische Evolution in diesen isolierten Lebensräumen.
Neben den botanischen Details vermittelte der Vortrag immer wieder landschaftliche und emotionale Eindrücke: das „bukolische Mittelgebirgsland“ des Apennin, die Weideflächen mit blühenden Orchideen vor Schneegipfeln, verlassene Dörfer in den Calanchi, die Wildheit der Gravinen von Matera, Laterza oder Ginosa. Er verknüpfte Fachwissen mit persönlicher Erfahrung, Humor und Begeisterung – etwa, wenn er anmerkte, dass die Bestimmung mancher Arten „eine Sache des Gefühls“ sei, oder wenn er das Eis der „Gelateria Crivella“ in Sapri als traditionellen Abschluss der Exkursionen würdigte.
Insgesamt war der Vortrag eine faszinierende botanisch-geografische Reise durch Süditalien, die wissenschaftliche Präzision mit anschaulicher Erzählfreude verband. Er zeigte, wie eng Biodiversität, Landschaftsstruktur und menschliche Nutzung miteinander verflochten sind, und wie diese Regionen durch ihre Unzugänglichkeit zu Rückzugsräumen für seltene Pflanzenarten geworden sind. Das Schlussbild – die Forschergruppe beim Eisessen nach einem Tag voller Entdeckungen – schloss den Kreis zwischen Leidenschaft, Wissenschaft und Lebensfreude.
