Wie viel Grün braucht Bamberg?
Vortrag „Wie viel Grün braucht Bamberg?“ von Dr. Jürgen Gerdes, Institut für Biodiversität, Bamberg, am 13.5.2025 im Tambosi

Der Ökologe Jürgen Gerdes führte anhand vergleichender Skizzen und Bilder eindrucksvoll aus, dass gegenüber den Lebensumwelten der Vergangenheit auch in Bamberg die Zurückdrängung der Natur ein vorher nie gekanntes Ausmaß erreicht hat. Bis zur Sesshaftwerdung des Menschen auf dem heutigen Domberg vor etwa 1400 Jahren habe es nur Eichen- und Auwälder gegeben, hier und dort durchsetzt von Buchen, Kiefern und Birken, im Tal geprägt von zahlreichen, mäandrierenden Flussarmen. Nach der Besiedlung setzten Entwicklungsschübe vor allem im Hochmittelalter und zur Gründerzeit ein, richtig in die Fläche ging es aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Gerdes zeigte abschreckende Beispiele von Versiegelungen um den Bahnhof herum, im Stadtzentrum, im Bamberger Osten.
Dennoch, so der Biologe, sei Bamberg noch eine vergleichsweise grüne Stadt. Verglichen mit Bayreuth, Erlangen und Würzburg habe sie am meisten Erholungsfläche und Wald zu bieten, bei der Biotopfläche rangiere sie an zweiter Stelle hinter Würzburg. Gerdes nahm das zahlreich erschienene Publikum mit auf eine Bilderexkursion durch die grünen Zonen der Stadt: die drei großen Wälder, die sie umgeben, die Flusslandschaft mit dem Hain, das Mündungsgebiet von Main und Regnitz und die Buger Wiesen, das struktur- und biotopreiche Berggebiet, die Altenburghänge, die Rothofhöhe, die Obstwiesen um die Villa Remeis, naturnahe Kerbtäler wie den Ottobrunnen, aber auch weniger bekannte Schutzgebiete wie die Ebene bei Bug oder das Röthelbachtal zwischen Gaustadt und Bischberg. Schließlich auch zu solchen im dichter besiedelten Stadtgebiet wie den Michaelsberger Garten, den Leinritt, manche Regnitzufer und die Bäume auf den Regnitzinseln um Geyerswörth und Unterer Brücke.
Dieses Grün sei auf 13,3% der Stadtfläche ökologisch besonders hochwertig und daher als Biotop kartiert. 28% der Stadtfläche seien Wald, und alles in allem stünde etwa ein Drittel der Stadtfläche unter Naturschutz – als Naturschutzgebiet, als Landschaftsschutzgebiet, als Biotop. Allerdings sei das Stadtgrün sehr ungleich verteilt. Es konzentriere sich im Westen, im Berggebiet, und nach Süden hin. Im Norden und im Osten – östlich des Kanals und erst recht östlich der Bahnlinie bis zum Berliner Ring – mache es sich rar. Dann werde es mit der Breitenau, der Gartenstadt, dem Volkspark und den ehemaligen amerikanischen Liegenschaften wie der Muna wieder grüner.
So grün Bamberg in vielen Stadtteilen auch sei, resümierte der Biologe, gebe es aber auch einige bedenkliche „Problemzonen“. Diese seien das Hafengebiet, die Gewerbegebiete am Börstig, an der Kirschäcker-, Kärnten- und Kronacher Straße und im Südosten der Stadt sowie der gesamte bebaute Bereich zwischen Bahnlinie und Berliner Ring, auch Teile der Innenstadt. Gerade in diesen „Problemzonen“ dürfe es nicht zu weiteren „Versteinerungen“ kommen.
Ein Negativbeispiel dafür sei die derzeitige Errichtung einer acht Meter hohen, unbegrünten Steinmauer an der A70 nördlich der Boschwerke, wo sich vorher mit Bäumen und Sträuchern begrünte Böschungen befanden. Auf der anderen Seite der A70, der Hallstadter Seite, würden bis zu 14 Meter hohe Lärmschutzwände hochgezogen. Hier schaffe man eine neue künstliche Hitzeinsel. Klimaanpassung sehe anders aus. Das gelte etwa auch für den Bau eines großen, unbegrünten Parkhauses auf dem Lagarde-Campus, mitten im Wohngebiet. Oder für den gesamten „Laubanger“, der seinen Namen wohl kaum mehr zu recht trage. Besonders bedauerte es Gerdes, dass die Bahn, anders als ursprünglich geplant, die beim ICE-Ausbau zu errichtenden Lärmschutzwände nach außen, zu den Anliegern hin, nicht mehr begrünen will. Man verpasse hier die Chance, großflächig das Lokalklima zu verbessern und die Ansicht zu verschönern.
In den „Problemzonen“ sollte man bei allen Vorhaben der besseren Be- und Durchgrünung besondere Aufmerksamkeit schenken und sie in den Vordergrund rücken. Sonst werde es kaum gelingen, die gesetzten Entwicklungsziele zu erreichen: Klimaresilienz, Biodiversität, Sicherung der Lebensqualität.
Hier und dort gebe es einige gute Ansätze. Wie etwa am neuen Einkaufszentrum, dem LEZ, dessen Wände und Dach teilweise begrünt wurden. Zudem habe man dort die „Qualzuchten“ der vor Jahrzehnten gepflanzten Bäume auf dem großen Parkplatz von ihrem kümmerlichen Dasein befreit. Sie hatten, eingezwängt in viel zu kleine Baumscheiben, nur Bonsaihöhe erreicht. Jetzt sei der gesamte Platz mit durchgängigen Grünstreifen gestaltet, auf die der Investor viele kräftige und klimafeste Bäume habe pflanzen lassen. Offenbar würden sie auch fachgerecht gepflegt, denn sie hätten das trockene Frühjahr bisher gut überstanden.
Gerdes plädierte für pragmatische Lösungen. Auch wenn man den Konflikt zwischen mehr Grünfläche und weniger Verkehrsfläche scheue, gebe es noch viele andere Möglichkeiten der Begrünung. Eine Menge Dächer, Wände, Zäune, Mauern, Gabionen könnten begrünt werden. Als Beispiel nannte der Referent die oft unschönen Rückwände von Bushaltestellen. Wer keine Fassadenbegrünung möchte, könne Gehölze vor eine nackte Wand pflanzen. Ein lobenswertes Beispiel sei die Gabionenbegrünung am Wunderburger Feuerwehrgebäude am Münchner Ring. Gerade die vertikale Begrünung sei oft problemlos und mit wenig Geld machbar. Dazu habe die Stadt Bamberg ein Förderprogramm aufgesetzt, das für die nächste Pflanzperiode im Herbst noch einmal aufgestockt worden sei. Beim Projekt Mitmachklima im städtischen Umweltamt gebe es außerdem Pflanzgutscheine für Bäume (Tausend Bäume für ein besseres Klima) und kostenlose Staudenpakete für Anwohner, die Paten von Baumscheiben werden möchten.
Jede Firma, vor allem in den „Problemzonen“, sollte sich fragen, wie sie ihr Betriebsgelände besser durchgrünen könnte: durch die Pflanzung einheimischer Bäume und Sträucher an der Grundstücksgrenze, durch Fassaden- und Zaunbegrünung, indem man die Grünflächen nur noch ein oder zwei Mal im Jahr mäht. Die idealen Rankhilfen seien ja oft schon vorhanden: Metallgitterzäune.
